Wer hätte gedacht, was man alles aus einem Nicht-Geburtstag machen kann. Eddie, der Besitzer von “Eddies Homestay” feierte, beziehungsweise feierte seinen Geburtstag nicht an einem Montag. Das habe ich nur per Zufall erfahren und obwohl ich kein offizieller Gast mehr war (ich hing weiterhin jeden Tag da ab, trank meinen Kaffee, ass mein Porridge und liess mir den neuesten Klatsch & Tratsch erzählen) und obwohl er mir erklärte, er feiere niemals seinen Geburtstag, wollte ich eine Fete für ihn auf die Beine stellen. Ich wusste nicht genau wie, wusste nicht, wen einladen und trotzdem funktionierte am Ende alles irgendwie. Die glückliche Hand des Universums stiess ihn in die richtige Richtung denn Eddie beschloss spontan, am Sonntagabend eine kleine Dinnerparty für die Homestay-Gäste und seine Familie zu geben. Was für ein Glück, dass ich noch genau einen Tag Zeit hatte um Geschenk und Torte zu organisieren und dass ich keinen Schimmer hatte, wo ich ebendiese auftreiben konnte. In einer Stadt, in der es weder Käse noch Brot gibt - Cheddar-Plastik-Schmelz-Käse und Toastbrot zählen nicht - soll es tatsächlich eine Konditorei geben? Mit richtigen Torten? Und Kuchen? Und Gebäck? Siehe da, es gibt sie. Nicht nur eine. Mindestens drei. Und die Croissants sind eine Offenbarung. Für indonesische Verhältnisse. Trotzdem. Eine Offenbarung. Jedenfalls habe ich mich mit Eddies Schwester zusammen getan und wir fuhren einmal mehr in die grosse Stadt. Es war ausnahmsweise sehr angenehm, auf dem Rücksitz Platz zu nehmen, weil ich erstens, mit einer Einheimischen unterwegs war und sie mir zweitens, ihren ultra-fancy verspiegelten Helm aufgesetzt hatte sprich, es hat niemand auch nur ansatzweise erahnen können, dass ich eine “bule” also ein Tourist bin und so kurvten wir durch das Stadtzentrum bis wir die Konditorei fanden.
Einmal im Geschäft, war ich gleich völlig abgelenkt und wollte alles probieren. Die Fruchtschnitten sahen göttlich aus und die Muffins und die Schokoladenrouladen und die Zimtschnecken und die bereits erwähnten Croissants. Aber ich habe mich schlussendlich doch auf das Wesentliche konzentriert und das war die Geburtstagstorte. Schokoladenbiskuit, darauf geschichtet Blaubeeren, darüber Schlagsahne, das Ganze überzogen mit mehr Schokolade, garniert mit Früchten und dekoriert mit kunstvollen Formen aus noch mehr weisser und dunkler Schokolade; ein Traum. Aber ich schweife ab. Jedenfalls hatten wir nun die Torte und mussten sie nur noch bei 32°C und einer Luftfeuchtigkeit von gefühlten 90% sicher nach Hause bringen. Ich schwang mich wieder auf den Rücksitz des Rollers und hielt die Plastiktüte mit der Kartonbox mit der Schokoladen-Blaubeer-Torte die ganzen 14 Kilometer mehr oder weniger frei schwebend über meinem linken Knie. Ich wollte schliesslich nicht riskieren, dass sie zerdrückt wurde, oder gar schmolz.
Um 19:00 Uhr traf ich dann bei Eddie ein und begab mich sogleich in die offene Küche. Was für ein Bienenstock. Alle wuselten sie durcheinander, jemand schnitt Gemüse, jemand rührte im Topf, jemand bestrich auf dem Boden hockend Toast mit Knoblauch, jemand spülte Teller. Eddie hatte tatsächlich seine ganze Familie aufgeboten, ihm zur Hand zu gehen und alle hatten sie eine Aufgabe. Und ich als freiwilliger Geburtstagsfotograf hielt das natürlich alles fest. Doch niemand wollte die Tomatensauce kosten, niemand wollte probieren, ob die Spaghetti al dente waren. Andere Länder – andere Sitten und so probierte ich stattdessen, würzte hier und dort nach und gab schliesslich das GO.
Was für ein toller Abend. Und er steckte voller Überraschungen, nur wusste Eddie nichts davon. Er ging voll auf in seinem Element als Gastgeber und nachdem wir alle vollgefressen waren, musste ich mich regelrecht zwingen, aufzustehen und heimlich die Torte aus dem Kühlschrank zu fischen, während die Gäste ihre Geschenke aus den Zimmern kramten während sie Eddie mit verbundenen Augen am Tisch sitzen gelassen hatten.
Seinen Gesichtsausdruck werde ich nie vergessen. Er hatte dieses Leuchten in den Augen und ich glaube, er musste sich die Tränen zurück halten. Ein bisschen. Stattdessen strahlte er bis zu den Ohren und kreischte wie ein Schulmädchen als man ihm die Augenbinde abnahm und er die Torte sowie zig Geschenke vor sich auf dem Tisch sah. Es war ein wirklich rührender Moment, für mich auf jeden Fall, denn Eddie, sein Bruder Dani und seine Familie sind in meiner Zeit auf Nordsumatra wie eine Zweitfamilie für mich geworden und wenn ich meine Familie beschenken kann, macht mich das glücklicher als wenn ich selber ein Geschenk erhalte. Es war einfach nur gut. Alle haben wir “Happy Birthday” für ihn gesungen und er hat sich über jedes einzelne Geschenk gefreut, als ob er noch nie ein Geschenk erhalten hätte, sei es eine Unterhose, ein T-Shirt, ein Kugelschreiber oder was auch immer. “Die kleinen Dinge im Leben zählen” sagt man und an diesem Abend wurde ich einmal mehr Zeugin, dass es wahr ist. Dieses Sprichwort ist absolut wahr.
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