Big Girl’s Party

An alle Mädels. Versetzt euch zurück in die Zeit, als ihr eure erste Periode gekriegt habt. War bestimmt nicht unbedingt ein Thema, das ihr in aller Öffentlichkeit kundtun wolltet. Und nun stellt euch vor, eure Eltern hätten aus genau diesem Grund eine riesige Party für euch geschmissen. Und das ganze Dorf - wir gehen davon aus, ihr seid in einem Dorf aufgewachsen, das macht es einfacher - wäre eingeladen gewesen. Es gäbe ein Buffet mit allerlei Köstlichkeiten, unmengen Plastikstühle für sämtliche Gäste und eine Live-Band. Ihr selber wärd eingekleidet in ein todschickes, rotes Dress aus Tüll und Spitze, dazu ein strassbesetztes Diadem und funkelnde Ballerinas. Und wie gesagt das ganze Dorf wäre anwesend. Wobei dreiviertel der Gäste männlichen Geschlechts wären – aus welchem Grund auch immer. Und als ob das nicht schon genug wäre, würden sich fünf ausländische Touristen dazu gesellen, weil diese von einem Bekannten eingeladen wurden. Was für ein Spass. Hätted ihr euch wohl gefühlt? Einige vielleicht. Ich bestimmt nicht. Big Girl’s Party hiess dieser interessante Event. Als ich zum ersten Mal davon hörte, traute ich ehrlich gesagt meinen Ohren nicht. Eine bitte was? Periodenparty? Periodenparty. Das musste ich erst mal sacken lassen. War ich nun beleidigt, dass meine Eltern sowas nie für mich organisert hatten oder erleichtert, dass mir ein solches Fest erspart geblieben war? Letzteres. Zu 100 Prozent!

 

Jedenfalls waren wir offiziell zu diesem speziellen Anlass eingeladen worden und es war absolut undenkbar, diese Einladung abzulehnen. Warum auch?! Selbstverständlich wird bei solchen Festern jeweils ein Geldbetrag gespendet und weil dies ein guter Grund ist, eine Familie mit bescheidenen finanziellen Mitteln zu unterstützen beschlossen wir, die Periodenparty zu rocken.

 

Weil der Event mit Janis Geburtstag zusammen fiel, hatten wir anderen zusammen mit ihrem Freund am Tag zuvor Torte, Geschenke und eine Flasche Schampus (oder was auch immer) organisiert, um das Geburtstagskind zu überraschen. Und so kam es, dass wir mit Cremetorte und sparkling wine “vorglühten”. Danach machten wir uns in zwei TukTuks auf den Weg ins Dorf mitten im Nirgendwo im Dschungel. Leider konnte uns niemand Auskunft geben, ob an einem solchen Fest getrunken wird. Zur Sicherheit hielten wir also am Liquor Store an der Strasse für eine Flasche Arrack und ein paar Dosen Bier. Bis heute weiss ich nicht, ob die sich in Ekstase tanzenden singalesischen Jungs betrunken waren oder stocknüchtern. Ich jedenfalls verfluchte am nächsten Tag einmal mehr den Arrack. Warmer Arrack. Mit warmer Cola. Hallo Alka Seltzer.

 

Die Fahrt zum Dorf war toll. Weit weg von der Hauptstrasse, vom Lärm, den Menschen zeigte sich uns die Natur in ihrer vollen Blüte. Wir fuhren auf einer schmalen Strasse durch den Dschungel, vorbei an einzelnen Häusern, streunenden Hunden und draussen spielenden Kindern. Das richtige, echte Sri Lanka eben. Nach einer Kurve hielten wir an und zwar just in dem Augenblick, als die Sonne den Horizont küsste und sich mit einem Knall aus rosa, orange und rot verabschiedete. Wir hielten einen Moment inne und genossen den Ausblick über das Tal unter uns. In der Ferne sahen wir die Lichter der Stadt, direkt vor uns stand ein grosser Baum der nur noch als Silhouette zu erkennen war, vor der schönsten Leinwand überhaupt, der Natur.

 

Nur wenige Minuten später war bereits die Nacht hereingebrochen und wir machten uns wieder auf den Weg. Ich hatte ein Lächeln im Gesicht weil sich mir der Anblick des schwarzen Baumes vor orangerosarotem Himmel ins Gedächnis gebrannt hatte.

 

Auf der Party wurden wir wie die lang erwarteten VIP-Gäste willkommen geheissen. Plastikstühle wurden zurechtgerückt, Gäste wurden vorgestellt, Hände geschüttelt, die kleine rote Prinzessin begrüsst, dazu ein Rundgang durchs und ums Haus herum. Dann war bereits Essenszeit. Obwohl weit und breit keine anderen Gäste in Sicht waren. Lediglich eine ziemlich beeindruckende Schar Kinder. Freundinnen und Schulkameraden der Kleinen. Das Buffet war ebenfalls ziemlich beeindruckend. Die Gastgeber hatten sich nicht lumpen lassen. Auberginen, Kichererbsen, Kartoffeln, Ei, Blumenkohl; sämtliche Currygerichte die man sich wünscht waren in Casserollen über Gasflammen aufgereiht. Dazu mein über alles geliebtes Dal sowie Reis und Naanbrot, verschiedene Gemüse und Salate und natürlich scharfe Saucen. An dieser stelle sollte ich nicht abschweifen, aber das war in der Tat das allerbeste Curry das ich gegessen habe. überhaupt!

 

Anschliessend nahmen wir auf den bereits mehrfach erwähnten Plastikstühlen Platz, welche unseretwegen um einen Plastiktisch herum drapiert worden waren. Sogleich gesellten sich zwei kleine Mädchen zu uns, nuschelten verlegen auf Sinhala und grinsten schief. Jani und ich verstanden zwar nur Bahnhof aber mit Gesten und gebrochenem Englisch wurden wir von ihnen zum Tanzen aufgefordert. Vor dem gesamten mittlerweile eingetroffenen Partyvolk. Das konnte ja heiter werden. Nun waren wir glücklicherweise nicht die einzigen Tänzer und so fielen wir am Rande der Bühne gar nicht weiter auf. Oder aber wir waren ziemlich gut darin, die neugierigen, belustigten Blicke zu ignorieren. Wie auch immer, nach zwei Tanznummern mit Pirouetten, Fingerschnippsen und Rock’n’Roll hatte ich genug und zog mich geschickt aus der Affaire. Die Mädels tanzten fröhlich weiter und ich widmete mich wieder dem warmen Arrack.

 

Bevor wir uns auf den Nachhauseweg machten packten wir alle unsere Spenden in einen Umschlag, beschrifteten ihn mit unseren Namen, Palmen, Sonnen und Smileys und gaben ihn der Familie des Mädchens - oder war sie jetzt mit 11 Jahren eine Frau? Diese bedankte sich ganz herzlich, lud noch zum obligatorischen Gruppenfoto und dann war der ganze Spuk auch schon vorbei. Für uns. Bevor wir jedoch zu den TukTuks liefen, nahm ich noch folgende Szenerie war: Geschätzt 30 junge Männer tanzten wie wild vor der Bühne herum, schüttelten sich, drehten sich im Kreis, sprangen in die Höhe. Völlig ekstatisch und in ihrer eigenen Welt, schwitzend, grinsend, als ob es sich um Festivalbesucher unter Einfluss von bewusstseinserweiternden Substanzen handeln würde. Aber sie hatten ihren Spass und darum ging es ja wohl. Ach nein, es ging um die Periode. Könnte glatt vergessen gehen, das Motto der Party. Ein unvergessliche Party auf jeden Fall.

 

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