Tage wie dieser

Es sind Tage wie dieser, an denen ich glaube, meine innere Ruhe gefunden zu haben. Morgens scheint mir die Sonne ins Gesicht, wärmt mich, kitzelt mich in der Nase und sogar bei geschlossenen Augen tanzen tausend Blitze vor mir. Von der Terrasse aus beobachte ich die Segelboote auf dem glitzernden See. Sie wirken wie Eins mit dem Wasser, treiben majestätisch vorüber, haben keine Eile und spielen mit dem Wind. Ich trinke meinen Kaffee, wärme mir die Hände an der heissen Tasse und recke mein Kinn den Sonnenstrahlen entgegen. Ich schliesse die Augen wieder und geniesse die Stille, fühle mich schwerelos, sorgenlos, gedankenlos, versinke im Augenblick.

Nachmittags ziehen Wolken auf, formen sich zu Tieren, Gebäuden und Menschen, bevor sie sich vom Wind verweht in Schleierwolken auflösen und am Himmel dahin zu fliessen scheinen. Ich liege im saftigen Gras, rieche die Feuchtigkeit der Erde, atme tief ein und höre das Summen der Bienen. Ich bin ganz allein, geniesse die Einsamkeit und beobachte die Wolkenbilder. Meine Gedanken schweifen ab, ich verliere mich in Tagträumen, während die Wolken weiter ziehen und sich nicht um mich kümmern. Die Zeit scheint still zu stehen hier und jetzt, doch die Erde dreht sich weiter und der Wind trägt den Duft des Flieders zu mir herüber.

Abends höre ich von weitem Donner grollen. Der Himmel verdunkelt sich. Der Wind wird stärker, lässt die Blätter der grossen Akazie erzittern, tanzen und rascheln. Ein erster Blitz erhellt den Nachthimmel, gleich darauf folgt ein Donner wie eine Explosion, wie ein Hammerschlag und lässt mich zusammenzucken. Regen setzt ein, ein gleichmässiges Prasseln, das von Minute zu Minute intensiver wird. Beinahe ekstatisch schwillt es an, die Tropfen werden grösser, stärker. Der Regen bahnt sich seinen Weg gen Erde, vom Dach, von den Bäumen, spritzt gegen die Fensterscheiben, auf den Holztisch, welcher ihn gierig aufsaugt, als müsse er seinen Durst stillen. Ich stehe geschützt vom Regen Draussen und halte die Luft an, damit ich das Geräusch des Gewitters tief in mich aufnehmen kann. Blitz und Donner wechseln sich nun nicht mehr ab, sie scheinen einen Wettbewerb auszutragen und prallen, schlagen, explodieren gleichzeitig. Es fasziniert mich, wie die Blitze draussen auf dem See einschlagen. Es fesselt mich, wie laut und unbarmherzig der Donner knallt. Der Regen beruhigt mich. Das monotone Geräusch des Prasselns übertönt sämtliche anderen Lärmquellen und es scheint nur noch das Wasser zu existieren. Für einen Moment schliesse ich die Augen und lausche dem Gewitter. Ein wohliger Schauer überkommt mich, schnellt vom Nacken über die Wirbelsäule hinunter und hinterlässt eine Gänsehaut auf meinem Körper. Ich beschliesse, mich ins Bett zu legen, sämtliche Lichter zu löschen, das Fenster zu öffnen und mich vom Regen in den Schlaf begleiten zu lassen. Das Gefühl des Glücks bleibt bestehen, bis ich mit sanftem, gleichmässigem Atem eingeschlafen bin. Es sind Tage wie dieser, an denen ich weiss, ich habe meine innere Ruhe gefunden.