Trauerweide

Wann immer ich zu Hause war, fuhr ich im Zug morgens und abends an diesem Baum am See vobei. Lange, grüne, majestätische Arme, wie Lianen über dem Wasser schwebend. Sanf im Wind wiegend. Morgens und abends verzückte mich der Anblick dieses Baumes am See. Mein Lieblingsbaum.

Nach meiner Rückkehr sass ich voller vorfreude im Zug, bereit, von meinem Lieblingsbaum zum Lächeln gebracht zu werden. Dann sah ich ihn; seine rechte Seite zurechtgestutzt, geradezu abgeschnitten, verstümmelt. Er war nicht mehr der selbe. Hatte seine majestätische Ausstrahlung verloren. Hatte keine Wirkung mehr auf mich. Ein Bruch? Ein Abschnitt, zu Ende? Vielleicht. Vielleicht war es an der Zeit. An der Zeit, loszulassen, den Baum loszulassen und die Veränderung anzunehmen. Er hat seine Wirkung verloren. Der Ort hat seine Wirkung verloren. Ein Zeichen. Wer achtet auf Zeichen? Bin ich jemand, der auf Zeichen achtet? Vielleicht. Vielleicht will ich, dass da ein Zeichen ist. Ein Zeichen für Umbruch, für Veränderung, für Neuanfang.