Daily routine

Dieses Westaustralien ist ein Hit. Ein absoluter Hit. Es hat mich gepackt, bereits zum zweiten Mal.

Zwei Surfsessions pro Tag. Der Homespot direkt vor der Haustür. Oder sagen wir, fünf Minuten zu Fuss. Und praktisch keine Seele im Wasser weil da ab und zu ein bisschen (oder ein bisschen viel) Seegras herumschwadert. Aber das kümmert uns nicht. Wir sind Meerjungfrauen.

Ich liebe es. Und Elise's Eltern sind zuckersüss. Ich hatte eigentlich ein Couchsurf-Arrangement in Fremantle aber nach den ersten zwei Tagen fragten sie, ob ich nicht für den restlichen Aufenthalt bleiben möchte. Ich und meine guten Vibes. Of course I do.

Das Wetter ist auch nicht übel. Der Winter kommt und ich sitze nachmittags im Bikini im Garten.

Obwohl uns das Seegras nichts ausmacht, war die zweite Session tricky. Das Zeug verfängt sich in der Leash und den Finnen und wenn du fällst, glaubst du, dich in einem Fischernetz wiederzufinden und beinahe zu ertrinken. Aber das kümmert uns nicht. Wir sind Meerjungfrauen.

Abends schnappen wir uns Kerzen und holen im Bottle-Shop Gingerbeer die wir am Strand zusammen mit selbstgedrehten Zigaretten unter dem Sternenhimmel geniessen. Hier und da fliegen Sternschnuppen durch die Nacht. Die kühle Luft zerzaust unser salziges Haar. Der Ozean spricht zu uns. Was für ein Leben. Danach gibt es Kichererbsen-Curry mit Dahl und einem Glas australischem Wein.

Der nächste Morgen hingegen sieht ein bisschen trostlos aus. Wolken und Nieselregen. Vom Wind zerpeitschte Wellen. Aber das macht nichts, man muss sich auch mal eine Pause gönnen. Also ist ein gemütlicher Tag angesagt. Mall-Experience und ein Brauerei-Besuch. Es könnte schlimmer sein.

Tags darauf bin ich in Perth. Ich sitze im King's Park auf einer einsamen Bank unter einem schattenspendenden Eukalyptusbaum, geniesse die Stille und den Augenblick in der Natur und lasse meine Gedanken treiben. Ich bin glücklich. Dieser ganze Trip war und ist fantastisch, stets umgeben von tollen Menschen und guten Vibes, surf und herrlicher Landschaft. In der Tat bin ich in diesem Moment wunschlos glücklich. Viel Zeit bleibt mir allerdings nicht mehr und auch wenn ich mich auf zu Hause freue, ich freue mich genauso sehr, die restlichen Tage hier zu geniessen.

Deshalb geht es mit Frühmorgensurf weiter. Aufgestanden wird um 6:20, was normalerweise kein Problem für mich darstellt. Obwohl, irgendwie fühlt es sich doch etwas ungewohnt an. Vier Monate ohne Zeitdruck aufstehen, das lässt eine gewisse Routine entstehen, deren ich mich schwer wieder entledigen kann. Ausserdem ist es morgens hier verdammt kalt. 11 Grad und mich dann in den noch feuchten Wetsuit reinquetschen; es gibt Schöneres. Aber es hat sich heute Morgen absolut gelohnt. Wahnsinnig schöne Farben leuchten über dem Strand und vom Wasser aus gesehen wirkten sie noch viel intensiver. Zuckerwattenhimmel!

Nach ungefähr einer Stunde ist aber Schluss, Elise muss leider zur Arbeit und nimmt ich mit nach Perth. Wir verabreden uns für später auf ein "Surfdate" und mir bleibt Zeit für einen Besuch in einem der unzähligen Museen der Stadt und Mussestunden zum Schreiben und Kaffee trinken. Ich wünschte, ich könnte länger bleiben aber 1) Geld, 2) Die Jobzusage ist fix und 3) Ich will ja im November wieder los. Prioritäten setzen!

An das Leben hier habe ich mich innert kürzester Zeit gewöhnt als hätte ich nie etwas anderes gemacht. Kaffee und ein leichtes Frühstück, Wetsuit anziehen und mit dem Brett unter dem Arm durch das Nachbarschaftsquartier zum Strand hinunter spazieren. Die wärmende Morgensonne im Rücken, vorbei an freundlichen Nachbarn, Joggern und Dog-Walkern die mir grinsend einen guten Surf wünschen. Nach zwei Stunden zurück nach Hause um mich in der Hollywoodschaukel im Garten von der Sonne aufwärmen zu lassen und nachmittags unterstütze ich Elise bei einem künstlerischen Projekt in Fremantle. Danach geht es auf einen Drink ins Pub, bevor wir dann ziemlich früh und ziemlich erschöpft ins Bett fallen. Irgendwie sind wir nonstop erschöpft aber auf eine gute Art und Weise. Bevor dann Elise's grosser Tag mit der Ausstellung ihrer Installation folgt, geniessen wir zusammen noch eine letzte Surfsession, diesmal mit Longboards, und ein leckeres Frühstück. Eine kleine Prise Wehmut schleicht sich langsam ein aber ich versuche, nicht an die Abreise zu denken sondern den Moment nochmals richtig zu geniessen.

Die Installation ist ein voller Erfolg geworden dank toller Bilder, tollem Sound und toller Atmosphäre. Das muss gefeiert werden. Und so tanzen wir zusammen mit ihren Freunden, ihrem Bruder, dessen Freund und irgendwelchen fremden Australiern in einem Casino in Perth, bis unsere alkoholgetränkten Körper ein Drive-Thru viel-viel-später-als-Mitternachtssnack auf den Heimweg mitnehmen. Der Kater am nächsten Morgen lässt sich mit einer Shakshuka und einem grossen Becher Kaffee aufsaugen und als wir am Nachmittag bereits wieder im Pub sitzen (ja, die so genannten "Sunday-Sessions" vermisse ich ein bisschen) und Cider trinken, ist auch der kleinste Rest Kater verschwunden. Den letzten Abend verbringe ich im Kreise der Familie Reitze mit selbst gemachtem Sushi und einem extra für den Anlass gebackenen Schokoladenkuchen. Ach, diese Familie ist der Wahnsinn. So herzlich und warm und aufmerksam. Ich habe mich wirklich wie ein Teil von ihnen gefühlt. Und dass sie mir gleich zwei Flaschen Wein in meine Tasche packten, zeigt irgendwie auch, dass sie mich kennen gelernt haben. Mit Wein macht man mich halt glücklich.

Eigentlich wollten wir zeitig schlafen gehen, weil wir um 4:00 Uhr schon aufstehen müssen aber die Muse hat meine Meerjungfrau Elise geküsst und so nahm sie kurzerhand einen Song auf. Für mich. Elinas song. Wow. Ich fühle mich mehr als nur geehrt und ich freue mich jetzt schon auf unser Wiedersehen. Wann auch immer, wo auch immer.

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