Der Zahnarzt

Da ich "leider" nie meine Weisheitszähne bekommen habe, kann ich bei folgendem Thema nicht mitreden aber alle die sie entfernen mussten, ihr wisst wohl wovon ich schreibe. Man stelle sich vor, man befindet sich in einem fremden Land in Asien, in diesem Fall Sri Lanka. Eine wunderschöne Insel, herzliche Menschen, tolles Essen, fantastisches Klima, coole Surfspots. Hervorragende Zahnärzte. Bitte was? Ist diese Insel tatsächlich bekannt für seine hervorragenden Zahnärzte? An dieser Stelle müsste ich dies eigentlich revidieren und in der Praxis kann ich auch gar nicht auf meinen Erfahrungswert zurückgreifen aber wenn das einer kann dann Sam. Der Patient.

Ungefähr eine Million Tage lang klagte der Mann über Zahnschmerzen, sie kämen und gingen und zwar absolut im Rahmen des Erträglichen. Aber wenn jemand mitten in der Unterhaltung innehalten muss, sich sein Gesicht in eine schmerzverzerrte Grimasse verwandelt und er beinahe ohnmächtig wird, tja dann würde ich wärmstens empfehlen, einen Zahnarzt aufzusuchen. Selbst wenn man sich auf Sri Lanka befindet wo das Wort Hygiene nicht gross geschrieben wird. Eher klein. Eher gar nicht. Wie auch immer, Kim und ich konnten uns dieses Leiden keinen Tag länger mehr ansehen und zwangen den armen Kerl am nächsten Tag mit uns zum Zahnarzt zu fahren. Männer und Schmerzen. Dem ist nichts hinzu zu fügen.

Später am Nachmittag teilte er uns mit, er sei gerade in der Stadt gewesen und habe einen Termin für in drei Tagen oder so vereinbart. Selber schuld. Dann leide!

Nach zwei Tagen jedoch lag das Elend wortwörtlich um uns herum. Gibt es wirklich so etwas Stures? Nun gut, immerhin war die absolute Schmerzgrenze mittlerweile überschritten und wir beschlossen, alle zusammen nach Matara zu fahren um den Termin vorzuziehen. Ohne Tritt in den Arsch würde das grosse Leiden schliesslich nochmals 24 Stunden andauern. Und es sollte tatsächlich nochmals so lange andauern, der Termin konnte nicht vorgezogen werden. Oje, es gibt also auch Bürokratie in Sri Lanka.

Dann halt Foodshopping und morgen den nächsten Versuch wagen. Gesagt, getan. Schliesslich hatten wir versprochen, mit zum Zähneziehen zu kommen. Der Geleitschutz war also gewährleistet, es gab kein Entkommen mehr und so sassen wir zu Dritt im TukTuk nach Matara. Wir versuchten uns unauffällig unter all die Einheimischen im Wartezimmer zu mischen wobei wir eigentlich eher herausstachen. Der Zufall wollte, dass einzig die drei Plastikstühle direkt unter dem Flatscreen-Fernseher (der übrigens eine sehr spannende Tierdoku in HD zeigte) frei waren und da die Wartenden ja sowieso alle in diese Richtung sahen, fühlten wir uns permanent beobachtet. Dann wurde Sam aufgerufen und ins Behandlungszimmer geführt. Kim und ich blieben draussen sitzen und versuchten, uns nicht anzusehen weil wir sonst losgeprustet hätten ob dieser merkwürdigen Situation. Gefühlte 20 Minuten später kam er wieder raus mit seinem Arzt im Schlepptau. Dieser grinste uns an und bat uns, mit ins Zimmer zu kommen. Als Zuschauer. Front row. Interessant. Die Schuhe – Flipflops - mussten wir abstreifen und so betraten wir die Höhle des Grauens. Man stelle sich die Situation vor: Zwei giggelnde Mädels mit dreckigen Füssen nehmen im Behandlungszimmer auf Plastikstühlen zu Füssen des Patienten Platz um zuzuschauen, wie diesem von einem fröhlich dozierenden Zahnarzt der Weisheitszahn rausgerissen wird. Begleitet wird dieses Schauspiel von zwei Schwestern die abwechslungsweise zu uns, dann wieder zum Patienten schauen und sich ein Lachen verkneifen müssen. Holy.

Immerhin ging die ganze Operation relativ unblutig über die Bühne aber der Doktor liess es sich nicht nehmen uns den kabutten, ekligen, von Irgendwas zerfressenen Zahn aus der Nähe zu zeigen. Lecker! Dieser Mann liebte seinen Job wirklich, das konnte man sehen. Er war so leidenschaftlich bei der Arbeit und absolut begeistert, dass er einen solch grossen Weisheitszahn nur mit der Zange entfernen konnte und dabei praktisch kein Blut vergossen wurde. Der Stolz war in sein Gesicht gemeisselt und hey, er verstand sein Handwerk wirklich. Sollte ich jemals Zahnschmerzen kriegen, hoffe ich, mich auf Sri Lanka zu befinden. Not only hypothetically!

Diese Mission war also erfüllt. Und so fuhren wir wieder nach Hause. Zwei immer noch giggelnde Mädels, ein äusserst gesprächiger Lucky (unser Fahrer) und ein sehr schweigsamer oder durch Watte nuschelnder Sam.

Wie hervorragend der Doktor seinen Job gemacht hat, konnte man am nächsten Tag sehen. Keine Schmerzen, keine Schwellung, keine Schmerztabletten nötig. Unglaublich.

Falls jemand einen guten Zahnarzt sucht, ich habe gehört, auf Sri Lanka gibt es einen.

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