Part 1 - Oder wie ich kurzweilig zum Sans-Papier wurde

So langsam die Strandstunden und Happy Hours auf Koh Lanta auch vergingen, so schnell waren sie schlussendlich doch vorbei. Ich machte mich an einem Montag auf den Weg nach Trang, wo ich dann den Bus nach Malaysien, genauer gesagt nach Kuala Lumpur nahm. Die Fahrt an sich war ziemlich entspannt, im Bus habe ich eine der wohl verrücktesten Frauen kennen gelernt und musste mir zeitweilen die Tränen aus den Augen wischen und mir den Bauch halten, so viel haben wir gelacht. Nina ist ein Original, reist mit ihren 9 Litern geschmuggeltem Weisswein durch die Weltgeschichte, mit ihrem eigenen Wasserkocher, Frisbee der eigentlich ihr Teller ist und natürlich ihrem umweltschonenen Wasserspender. Sie ist die Frau für alle Fälle und Notfälle, hat alles dabei und braucht doch immer wieder Neues. Zum Beispiel Brillen. Und Sonnenbrillen. Davon kann man halt niemals genug haben. Jedenfalls war die Welt da noch in Ordnung. Um drei Uhr morgens überquerten wir schlaftrunken die Grenze nach Malaysien und dösten die restlichen Stunden bequem oder auch unbequem – je nach Körpergrösse, also ich unbequem – bis wir schliesslich um 6 Uhr in Kuala Lumpur ankamen, müde aber ich dennoch voller Zuversicht, die Stadt nach 8 Stunden wieder zu verlassen, um meine Freundin Kim in Medan zu treffen. Zwischenzeitlich würde ich noch mit meinen Schweizer Mädels frühstücken, die sich zufälligerweise ebenfalls in dieser Ecke der Welt herumtrieben.

 

Nina checkte also in einem überteuerten Hotel in Chinatown ein aber das Personal war so zuckersüss, dass sie eine Nacht verkraften würde. Ich konnte mein Gepäck ebenfalls da parkieren und schon machten wir uns auf, um die uns erste wohlverdiente Ration Koffein in Kuala Lumpur reinzuziehen. Schon von Weitem erkannte ich Patrizia auf der anderen Strassenseite und sie mich ebenso. Sie flitzte über die Strasse, gleichzeitig grinsten wir uns an und die Freude über das Wiedersehen war so gross, dass wir zeitgleich lachten, uns umarmten und wie zwei spielende Hunde über den Boden kullerten – eine vorzügliche Vorstellung, auch für sämtliche Passanten.

 

Bald schon wurde es für mich Zeit, weiter zu reisen und nach einer herzlichen Verabschiedung aller Beteiligten betrat ich den Bus zum Flughafen. Sämtliche Unterlagen waren im Rucksack auf meinem Schoss verstaut - wie man sich irren kann - und so zog ich lediglich meinen iPod heraus. Irgend etwas brachte mich jedoch dazu, Ticket und Pass hervor zu kramen und da begann der Adrenalinschub, der für die nächsten Stunden nicht aufhören würde. Mein Pass – weg! Mein schöner, roter, vollgestempelter Pass war tatsächlich nicht da, wo ich ihn vermutet hatte und wo ich ihn Stunden vorher verstaut zu haben glaubte. Hektisch begann ich, sämtliche Taschen und Fächer zu durchsuchen, öffnete Reissverschlüsse, zog Reissverschlüsse zu und durchsuchte noch einmal und noch einmal und dann noch einmal mein ganzes Handgepäck. Der Schweiss stand mir schon auf der Stirn und dann dämmerte es mir. Der Pass muss im grossen Rucksack in der Gepäckablage des Busses sein. Natürlich. Wie kann es auch anders sein. Also musste ich nur die Fahrt zum Flughafen abwarten und dann würde ich ihn wieder in den Händen halten. Alles kein Problem. Schweiss abwischen, Musik ein, durchatmen und entspannen. Wie lange so eine Busfahrt doch dauern kann. Gefühlte drei Stunden später und bevor der Bus überhaupt zum Stehen kam sprang ich vom Sitz auf und hechtete praktisch aus dem Fahrzeug. Ich schnappte mir den Rucksack und begann systematisch, alles zu durchforsten. Erfolglos. Mein Pass blieb verschwunden. So cool ich im Bus auch war, langsam machte sich Panik in mir breit, durchflutete mich und raubte mir die Fähigkeit, klar zu denken. Wieder versuchte ich, tief durchzuatmen und meine Gedanken zu sortieren.

 

Was sind meine nächsten Schritte? Embassy. Klarer Fall, ich musste zur Schweizer Botschaft. Also habe ich ein Taxi herbeigepfiffen und versuchte dem Fahrer zu erklären, was Sache ist. Der gute Junge kannte leider den Weg nicht und telefonierte den ganzen Weg mit der Taxizentrale, die ihn dann schliesslich zur Botschaft navigierte. Eilig stieg ich aus, hievte mein ganzes Gepäck aus dem Kofferraum und trat ans Gitter, wo ein gelangweilter Sicherheitsmann auf seinem Stühlchen sass und Fernseh schaute. Ich erklärte die Sachlage und dass ich mit der zuständigen Person sprechen müsse. Mit null Mitleid im Blick sah er hoch und meinte lässig, die Schweizer Botschaft in Kuala Lumpur stelle keine Reisepässe aus, reichte mir ein Merkblatt und damit wurde der Spiessrutenlauf von einer Behörde zur nächsten eingeläutet. Zunächst war ich perplex, warum denn die Botschaft keine Pässe ausstelle aber diese Frage stellte ich offensichtlich der falschen Person. Ich müsse zuerst zur Polizei, diese würde dann das weitere Vorgehen bestimmen. Polizei, selbstverständlich. Warum ist mir das nicht als Erstes eingefallen?! Also weiter zur Polizeistation, aber zuerst würde ich mein schweres Gepäck bei Nina in Chinatown abladen. Immerhin funktionierte meine Logik wieder halbwegs.

 

Nina machte grosse Augen, als sie die Zimmertür öffnete und, mich, schweissnass von der sengenden Sonne und dem Rucksackschleppen vor sich stehen sah. Die Story war einfach noch nicht lange genug her, als dass ich darüber hätte lachen können und so gewährte sie mir kurzerhand Asyl in ihrem Zimmer. Wie gesagt, sie ist die Frau für alle Fälle und vor allem für alle Notfälle.

 

Nach einer lebenswichtigen Nikotindosis zogen wir los zur Polizeistation, denn Nina war schon viele Male in KL gewesen und kennt sich ziemlich gut aus, zudem ist ihr Bahasa Malaysia beneidenswert. Als ich endlich an der Reihe war - nachdem wir unendlich lange auf Arztpraxisstühlen sassen und uns eine Soap-opera einverleibten, die wir zwar sprachlich nicht verstanden, für deren Handlung es aber sowieso keine Sprachkenntnisse brauchte - durfte ich meinen Bericht gleich selber tippen, denn die Jungs von der Polizei waren entweder Aspiranten oder konnten nur miserables Englisch. Jedenfalls erfuhr ich, dass ich nun doch zur Botschaft gehen konnte und mich von da aus mit der Botschaft in Bangkok in Verbindung setzen musste. Diese würde mir dann einen neuen Pass bzw. einen provisorischen Reisepass ausstellen. Anfangs war ich noch guter Dinge, dass jemand den Pass abgeben würde, denn ich war und bin auch heute noch davon überzeugt, dass der Pass im Reisebus liegen geblieben war. Blöd ist nur, dass die Busgesellschaft in Thailand keinerlei Interesse zeigte, auch nur im Geringsten danach zu suchen.

 

Wie dem auch sei, mein Adrenalinspiegel sank erst, als ich am Ende des längsten Tages meines Lebens mit der Schweizer Botschaft in Thailand telefoniert hatte, die gewünschten Passfotos, Formulare, Einzahlung erledigt und per DHL nach Bangkok verschickt worden waren und ich bei meiner zukünftigen Lieblingsspeise „Roti Canai“ sass und zum ersten Mal an diesem Tag einfach nur entspannt ausatmete. Einzig, dass meine Freundin Kim ihren Flug absagen musste machte mir Sorgen aber wie sich später herausstellen sollte, war das alles vom Universum so geplant, denn ansonsten wären wir statt nach Banda Aceh nach Nias geflogen und hätten niemals eine so fantastische, unvergessliche Zeit gehabt.

 

Aber dies ist eine andere Geschichte. Jedenfalls beschloss ich, die mir verbleibenden Tage in Kuala Lumpur zu geniessen und die Stadt ein wenig besser kennen zu lernen. Und das tat ich dann auch.

 

Nächster Blogeintrag: KUALA LUMPUR PART II oder DIE STADT MIT DEM BESTEN ESSEN

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