Island bliss

Die Insel die uns beherbergt ist ein kleines Paradies. Alles muss per Boot hergebracht werden. Ich liebe es. Wir haben zwar zu wenig Wasser mitgebracht und es gibt weder Gemüse noch Früchte (abgesehen von den leckersten Mini-Bananen und frischen Kokosnüssen) aber der Sprössling der Familie bei der wir wohnen hat uns freundlicherweise einen grossen Kanister besorgt. Immerhin können wir nun unseren Durst löschen. Wo wir unsere Vitamine herkriegten, ist eine andere Geschichte.

Jedenfalls haben wir nach dem ersten Frühstück (Toast mit Erdnussbutter und Tee) unsere Sachen gepackt und zottelten durch den Dschungel zu einem der Surfspots. Mein einziges Paar Flipflops hatte sich bereits in seine Bestandteile aufgelöst aber das machte mir nichts aus. Es fühlte sich wunderbar an, barfuss durch den Matsch zu laufen, die Erde zu spüren und als wir beim Spot ankamen, konnte ich nicht aufhören zu strahlen; Kokospalmen soweit das Auge reicht, türkisfarbenes Meer und nirgendwo eine Menschenseele.Alles dicht bewachsen und naturbelassen. Es war – abgesehen von ausgeschlürften Kokosnüssen und einigen leeren Pocari Sweat Dosen – als wäre nie irgendwer auf diesem Pfad gewandert. Und vielleicht war das auch so. Ausser den Bewohnern des kleinen Dorfes an dem wir vorbei kamen sind ist uns niemand begegnet. Nur die Surfer draussen bei Nipussi aber die kamen allesamt mit einem Charterboot und hatten offenbar keine Ahnung, wie schön es an Land überhaupt ist. Schade eigentlich. Für mich hingegen war es der perfekte Ort um Fotos zu schiessen. Surfbilder. Palmbilder. Strandbilder. Noch mehr Surfbilder. Noch mehr Palmbilder. Können diese Motive je langweilig werden?

 

In der Zwischenzeit hatten sich die Franzosen auf Fischfang begeben und eine Stunde später lagen fünf Exemplare – erlegt durch den Speer – auf Palmblättern bereit. Um mich auch mal nützlich zu machen spazierte ich ins nächste Dorf, einen der Fische in Palmblätter eingewickelt um diesen gegen Reis oder sonst eine Beilage einzutauschen. 20 Minuten lang kämpfte ich mich zurück durchs Dickicht, über Korallen, Steine, Muscheln, Wurzeln und weiche warme Erde und kam total verschwitzt an. Vier Hütten klapperte ich ab bis mich schliesslich jemand verstand. Mich und mein Bahasa Indonesia. Glücklicherweise sprach einer der Fischerjungen auch ein klitzekleines bisschen Englisch aber die älteren Dorfbewohner (also praktisch alle) sprachen ihre eigene Insel-Sprache.

 

Diesem Jungen folgte ich dann aufgrund von mir gedeuteten Gesten in eine der Holzhütten mit Palmdach. Den eingewickelten Fisch noch immer unter den Arm geklemmt versuchte ich mit ihm Schritt zu halten aber er kannte den Weg im Gegensatz zu mir und so musste ich auf jeden Tritt achten denn ich war noch immer barfüssig unterwegs und stolperte über spitzige Steine. Wir hielten bei einer Familie, die gerade beim Essen war und ich wurde von vier Augenpaaren neugierig gemustert. Sie sprachen leider weder Englisch noch Indonesisch aber ihre Gesichter sprachen Bände. Sie lächelten mich an und bedeuteten mir, mich zu ihnen zu setzen. Also sassen wir schweigend im Schneidersitz um verschiedene Töpfe mit Fisch und anderen Resten und ich wurde eingeladen zu probieren. Ich habe bis heute keine Ahnung, was genau ich gegessen habe (Nüsse? Wurzeln? Soja?) aber diese Gastfreundschaft trotz Sprachbarriere erinnerte mich so stark an Myanmar und seine gutherzigen Menschen dass ich genau wie diese Mentawai nicht mehr aufhören konnte zu lächeln. Der Fischerjunge sprach mit der Familie und soweit ich verstand, hatten sie gerade ihren Reis aufgegessen. Also verabschiedeten wir uns und gingen nun zu seiner eigenen Hütte weiter.

 

Dankbar legte ich als wir ankamen den mittlerweile schwer gewordenen Fisch auf einen kleinen Holztisch draussen auf der Veranda. Sofort tappte ein freudig mit dem Schwanz wedelnder Hund heran und liess sich von mir sein schmutzverkrustetes, zerzaustes weisses Fell kraulen. Ich setzte mich auf eine Bank und wartete, bis der Junge wieder nach draussen kam. Er teilte mir mit, er habe leider auch keinen Reis mehr aber er würde mir einen neuen Topf zubereiten. Erst war ich nicht sicher, ob ich ihn richtig verstanden hatte aber als ich auf seinen Wunsch hin in die lichtlose Küche trat, sah ich einen grossen Kessel in der Kochnische. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Und so strahlte ich ihn an und bedankte mich aufrichtig. Nie hätte ich mit so einer Geste gerechnet. Ich dachte, ich würde irgendwo ein paar Kartoffeln oder ein Schälchen Reis für den Fisch erhalten, stattdessen wanderte ich mit einem vollen Eimer Reis zurück zum Strand und fühlte mich einfach nur gut. Selbstverständlich versprach ich dem Jungen, ihm den Eimer auf dem Heimweg zurück zu bringen. Als ob es das normalste auf der Welt ist, einem wildfremden Menschen einen Topf voller Reis zu kochen. In diesem Moment dachte ich nur, niemand sollte mehr Geld brauchen. Wir alle sollten wie früher einfach nur Tauschen. Fisch gegen Reis.

 

Ich hatte völlig das Gefühl für Zeit verloren und war offenbar über zwei Stunden weg. Als ich an unserem Strand ankam fand ich Arnold, den Durchgeknallten, als Robinson Crusoe himself bekleidet vor: In Palmröckchen, Palmblätterkrone und mit einer Hibiskusblüte hinter dem Ohr. Er sass da wie ein würdevoller Dschungelkönig und obwohl sein Aufzug abgesehen von fehlenden Kokosnussschalen als BH eher für ein Mädchen konzipiert war, stand ihm das fantastisch! Beinahe hätte ich den Topf fallengelassen und in die (Bade-)Hose gepinkelt. Ich konnte nur losprusten und zwischen zwei tränenreichen Lachanfällen brachte ich lediglich ein „Dich kann man auch nicht alleine lassen“ heraus. Es war köstlich anzusehen.

 

Kurz darauf entfachten wir ein Feuer und während ich aus Trinkwassermangel Kokosnüsse sammelte wurde das zarte Fischfleisch am Spiess gebraten. Was für ein Leben!

Als die Abenddämmerung einsetzte packten wir unsere Siebensachen zusammen. Keiner von uns hatte eine Lampe dabei und der Rückweg sollte sich als tückisch erweisen. Wenn man die eigenen Füsse im Dunkeln nicht mehr sieht, ist ein (Barfuss-)Marsch durch den unbekannten Dschungel nicht gerade das Tollste was man sich vorstellen kann aber wir kamen trotz allem heil bei unseren Hütten an. Und nach Dusche und einer Tasse Tee fühle ich mich wieder gut. Was für ein wunderschöner Tag!

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