Welcome to the jungle

Zwei Tage Mentawais und von Entspannung keine Spur. Aber bin ich wirklich zum Entspannen hierhergekommen? Eben.

 

Und wie war das mit dem Dschungelmarsch im Dunkeln? Der war doch gar nichts. Aber immer der Reihe nach.

 

Ausgeschlafen und gestärkt mit Kaffee, Tee und Pancakes mit Peanutbutter(!) machten wir uns wieder einmal auf den Weg durch den Urwald. Diesmal waren wir sogar vom Equipment her perfekt ausgerüstet. Das dachte ich zumindest. Wasserflaschen, Lampen etc. hatten wir in Rucksäcke gestopft, dazu Surfbretter, Speerfischerausrüstung, Kameras, Bücher und Instant Mie Goreng.

 

Anfangs tat die ungewollte Fussreflexzonenmassage noch gut aber nach dem sechsten Mal über Stock und Stein fühlst du jede Wurzel und jeden Kiesel. Trotzdem war und ist es ein wunderschöner Weg zum Spot und dank den Surfbooties, die mir Lorenzo in Aceh geliehen hat, empfand ich den Marsch auch nicht mehr als ganz so schmerzhaft. Ich genoss es jedes Mal, wenn ich alleine auf dem Pfad wanderte. Manchmal sogar in strömendem Regen und triefenden Kleidern. Der Dschungel prasselte, der Wind fauchte, die Frösche quaken und irgendwo gackerten Hühner. Wunderbar!

 

Umringt von dichtem Palmenwald, durch Pfützen, über Baumstämme balanciert, herumgeschliddert und schlussendlich wieder am wohlbekannten Dorf vorbei, am Strand entlang auf dem mit Korallen gespickten, von saftigem Gras gesäumten Weg. Die anderen schmissen sich sofort wieder in die Speerfischerkluft oder gingen surfen und ich las, fotografierte, spazierte am einsamen Strand entlang und versuchte vergeblich einen Schnorchelgang. Aber die Wellen waren zu gross und zu wild für mich um über das Riff zu klettern. Noch immer hatte ich das Bild vor Augen, wie in Lhok’Nga das Surfbrett entzweibrach und so beobachtete ich das Naturschauspiel mit der Faszination eines Kleinkindes vom Ufer aus.

 

Nachmittags gab es wieder ein leckeres Fisch Barbecue sowie das frischeste Sashimi das ich jemals gegessen habe. Begleitet wurde dieser exquisite Gang von einem Mie Goreng, serviert in am Strand gefundenen Kokosnussschalen oder Muscheln. Sämtliche Speisen wurden lediglich mit Meerwasser gewürzt, welches wir in leeren Pocari Sweat Dosen am Feuer aufkochten. Ich würde dieses Essen an dieser Location jedem Sterne-Menu vorziehen. Und zwar jederzeit!

 

Als sich die Sonne langsam schlafen legte und der Horizont von blutrot in dunkelviolett überging machten wir uns auf den Rückweg. Da wir dieses Mal ja Lampen dabei hatten, war alles kein Problem. Dachte ich. Tja, falsch gedacht. Einmal mehr. Am Anfang liefen wir auf dem halbwegs bekannten Trampelpfad zurück und die Jungs scherzten, stellten Stirnlampen ab als einer über eine Bambusstock-Brücke balancierte und nahmen ihm so die Sicht. Wie kleine, übermütige Kiddies führten sie sich auf und ich war froh, meine eigene Taschenlampe dabei zu haben. Aber dann nahmen wir an einer Gabelung die falsche Abzweigung und dann noch einmal und plötzlich gab es weit und breit keinen Pfad mehr. Ach du Scheisse! Und warum umkehren, wenn man geradeaus mitten durch den Busch klettern, robben, stolpern kann? Also weiter im Gänsemarsch und das mit einer guten Stirnlampe, meiner billigen Taschenlampe mit Wackelkontakt, Rucksäcken, Harpunen, einem toten Fisch, Surfbrettern und gefühlten 100‘000 Moskitos. Ich schwitzte und schimpfte, erst auf Englisch, dann auf Schweizerdeutsch, dann schwieg ich, dann fluchte ich wieder. Und nirgends war das Ende des Urwalds in Sicht. Spinnen verfingen sich in den Brettern, krochen ins Haar, Äste peitschten uns ins Gesicht, verschwitzt und durstig schlitterten wir immer weiter, immer tiefer ins Dickicht, bogen links ab, bogen rechts ab, liefen Geradeaus aber nirgendwo fanden wir einen Pfad. Immerhin schien der Mond durch die Bäume und die Kiddies waren zu Spässen aufgelegt. Mir hingegen war zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht mehr nach Lachen zumute. Eher nach Weinen. Aber mein Stolz liess keine Tränen zu und so schlugen wir uns weiter durch den Dschungel. Immer weiter.

 

Nach einer Stunde – oder doch zwei? – legten wir irgendwo unter einem Dach von Palmen eine Pause ein. Jeder von uns hatte noch ein Paar Schlucke Wasser übrig, jeder war klitschnass und zerstochen und jeder versuchte, das Grollen des Meeres (oder des Generators neben unseren Hütten) zu lokalisieren aber es war sinnlos. Wir waren umgeben von Dunkelheit, Bäumen, Sumpf, Moskitos und den Geräuschen der Nacht. Ich glaube ich habe bisher nicht erwähnt, dass auf den Mentawai-Inseln Malariagefahr besteht und sämtliche Gesundheitsratgeber davon abraten, sich nach Einbruch der Dunkelheit im Urwald aufzuhalten. Es machte den Anschein, dass wir im Dschungel übernachten mussten. Verirrt, erschöpft und keinen Bock mehr stolperten wir vom nassen Palmenbaldachin zu einem einsamen Cabana das wir entdeckt hatten. Zehn Minuten Pause und zwanzig Moskitostiche später ging unser Nachtmarsch weiter. Ich hatte völlig das Zeitgefühl verloren – wir hätten zwei Stunden unterwegs sein können oder auch fünf – aber auf gar keinen Fall würde ich im Dschungel übernachten. Lieber würde ich die ganze Nacht hindurchmarschieren statt mich irgendwo hinzulegen und die Augen zu schliessen. Zum Glück war ich mit dieser Einstellung nicht alleine und nachdem wir sage und schreibe drei Stunden im Urwald umhergeirrt waren wie Verrückte kamen wir endlich an einer Hütte vorbei, die noch knapp 15 Minuten von unserer Siedlung entfernt war. Doch mussten wir vorher den gemeingefährlichen Weg auf dem Pfad über den Klippen hinter uns bringen. Der Pfad, der bei Tageslicht eine wunderschöne Aussicht bietet, nun bei Nacht aber rutschig und gefährlich schmal scheint. Prompt rutschte ich auch auf einer glitschigen Wurzel aus. Statt mir fiel aber nur der Fisch, den ich noch immer am Seil baumelnd über der Schulter trug die Felsen hinunter. Mein Herzschlag hatte sich seit Stunden nicht mehr beruhigt aber das war nun die Spitze.

 

Und so kamen wir schlussendlich doch unversehrt zu Hause an und hatten uns das Abendessen und meine aus Kuala Lumpur mitgebrachte Flasche Rotwein redlich verdient. Was für ein Trip. Lost in the jungle of Mentawai. Crazy stuff!

Kommentar schreiben

Kommentare: 0