Erwarte das Unerwartete

 

BENZIN, ALLE

 

Morgens um sechs fuhr ich mit dem Motorbike die 20 Minuten zum Beachbreak. Nach einer erfrischenden Session sehnte ich mich sehr nach einer grossen Tasse starken Kaffe und Porridge und machte mich auf den Rückweg. Ich überlegte mir noch, ob es wohl sinnvoll wäre zu tanken, denn die Anzeige stand seit zwei Tagen auf leer aber die Anzeige stand grundsätzlich immer auf leer weil sie meistens ganz einfach nicht funktioniert. Tja, in dem Fall hätte ich dieser dummen Anzeige besser geglaubt weil, der Tank war tatsächlich leer. Bis auf den allerletzten Tropfen aufgebraucht. Aber das merkte ich erst, als der Motor mitten auf der Strasse anfing zu stottern und mein roter Blitz zum Stillstand kam. Tot. Herrlich. Und ich musste schon ein wenig lachen weil es einfach typisch Elina war. Aber auch für dieses Problem gab es eine Lösung. Zuerst kam ein zahnloser, kleiderloser (okay, er trug einen Sarong) Greis daher und redete auf Sinhala auf mich ein, dann winkte dieser einen TukTuk-Fahrer herbei und schilderte ihm meinen offensichtlichen Debakel. Kurzerhand schnallte der Fahrer mein Surfbrett aufs Dach und fuhr mit mir (im Schneckentempo) zur nächsten Tankstelle wo er seine zu ¾ volle Wasserflasche auf Ex leertrank bzw. über die Windschutzscheibe seines TukTuks leerte um diese anschliessend mit Benzin zu füllen. Dann zurück zum Bike, was er mir sogar auch noch aufgefüllt hat, seine Visitenkarte in die Hand gedrückt, lächelnd und den Kopf wiegend in sein Gefährt gestiegen und auf und davon. Was für ein Start in den Tag.

 

TOILETTE MARKE EIGENBAU UND SCHILDKRÖTEN BEI NACHT

 

Zwischendurch verbrachte ich zwei Nächte bei der herzlichsten Familie überhaupt und obwohl nur der Papa (ich nannte ihn Onkel, “Maamaa” auf Sinhala) ein wenig Englisch sprach verstanden wir anderen uns einfach aufgrund Mimik, Gestik und viel Lachen. Jedenfalls war das Zimmer winzig, es bestand eigentlich nur aus einem Doppelbett (ich werde an dieser Stelle kein Wort über die Matratze verlieren), einem Holzgestell (eher einem Holzskelett) und einem Abstelltischchen. Sehr sporadisch also aber ich lege sowieso keinen grossen Wert auf eine tolle Inneneinrichtung. Das Highlight allerdings war die Toilette. Ich habe ja schon viele Eigenkonstruktionen von Klos gesehen aber dieses war echt der Hammer. Ich kann nicht anders, als sie so detailliert zu beschreiben. Einfach weil sie da war.

Wenn man den Pappkarton welcher mit Zeitungspapier und Plastikfolie umwickelt ist wegnimmt, hat man eine lässige Pumpe vor sich und einen schwarzen Plastikstöpsel an dem ein rostiges Stück Draht hängt. Dieser Draht wiederum stellt die Verbindung mit einem ebenfalls rostigen Metallnagel dar, welcher an der Innenseite des Spülhebels (gibt es dieses Wort überhaupt?) befestigt ist. So. Und wenn man nun spülen will muss man erst sicherstellen, dass genügend Wasser im Spülkasten ist (was nie der Fall ist) und dass der Stöpsel gut feststeckt da ja ansonsten das ganze Wasser einfach so abläuft. Gut, wenn man nach dem Pinkeln (sagen wir einfach Pinkeln) so weit ist, darf man ganz vorsichtig austesten, ob man die Spülung bestätigen kann. Ich empfehle aber in jedem Fall, den Pappkartondeckel welcher mit Zeitungspapier und Plastikfolie umwickelt ist wegzunehmen weil der Stöpsel sofort nach dem Spülen von Hand wieder an seinen Platz gedrückt werden muss, sonst verliert man das ganze Wasser aus dem Spülkasten und das will man nun wirklich nicht. So viel zu diesem absolut fancy Klo.

Ich bin also da eingezogen bzw. habe mein Gepäck abgeladen weil ich anschliessend direkt zum Strand Kabbalana gefahren bin um zu surfen, wo ich dann aber spontanerweise in einem Strassenrestaurant in die Küche eingeladen wurde um bei der Zubereitung von Curry, Dal und Roti zuzuschauen und ein Tässchen süssen Tee zu trinken. Wow!

Um fünf hiess es dann “Willst du mit in den Tempel wegen Vollmond?”. Natürlich gerne! Also fuhren wir mitten ins Nirgendwo und tief im Urwald zwischen all den Bäumen, Sträuchern und Palmen befand sich ein winzig kleiner Tempel. Unterwegs hielten wir an um Blumen als Opfergabe zu pflücken. Sehr schön. Ich fühlte mich ein bisschen wie in Myanmar als ich vor dieser weissen Pagode stand und die zwei kleinen, in orange gekleideten Mönchsjungen herumspazieren sah.

Als wir nach Kabbalana zurückkehrten war es bereits dunkel und so machte ich mich auf den Heimweg nach Gurubebila. Ohne Helm leider da mir diese abhanden kam. Durch wen? Keine Ahnung aber schlechtes Karma für diese Person auf jeden Fall. Mein Karma war an diesem Tag aber sehr gut. Ich kam heil zu Hause an und wünschte mich eigentlich nur noch ins Bett. Durchgeschwitzt und müde freute ich mich auf eine kühle Dusche (oder ein Tröpfeln des Duschkopfs, ich machte da keinen grossen Unterschied mehr). Denkste. Fünf Minuten später klopfte es an meiner Tür und Maamaa und die Oma erzählten mir ganz aufgeregt irgendwas von Schildkröteneiern. Ich verstand nur Bahnhof aber sie drängten mich, runter zu kommen. Ich lief also barfuss aus dem Haus und hechtete ins TukTuk und wir fuhren ein paar Minuten weiter zum Strand. Dann gingen wir einige Meter in der Dunkelheit im Sand und plötzlich sah ich sie vor mir: Eine Meeresschildkröte. Sie war gerade daran, ihre gelegten Eier mit Sand zu bedecken. Ich war absolut beeindruckt, hatte ich doch vorher nie eine Meeresschildkröte in freier Natur gesehen. Und dann erst noch eine eierlegende. Schweigend beobachteten wir das Schauspiel einige Minuten lang und nachdem sie ins Meer zurück gekrochen und von den Wellen fortgespült worden war fragte ich Maamaa, wie sicher die Eier hier seien. Er brachte seinen Unmut zum Ausdruck und erklärte, dass viele Einheimische die Eier stehlen und verkaufen würden, was mich ebenso missmutig stimmte. Wir beschlossen kurzerhand, den halben Strand mit unseren Füssen zu verwischen, sodass sämtliche Spuren der Schildkröte verschwunden wären. Save the baby turtles!

Als wir wieder zurück im Haus waren erzählte Maamaa ganz aufgeregt, was wir zusammen erlebt hatten und die Familie konnte gar nicht mehr aufhören mich anzugrinsen. Sie meinten ich sei ein Glückspilz weil so etwas nicht jedem vergönnt sei. Und wie um diese Tatsache zu untermauern brachte Maamaa mir eine Kette aus Muscheln, die seine Frau selbst gemacht hatte und die sich auf ihrem Hausaltar befand. Ich war gerührt, wollte die Kette zunächst nicht annehmen, schien sie mir doch so etwas wie heilig aber nachdem sechs Augenpaare mich ermunterten liess ich mir die Kette um den Hals legen. Und darum mag ich einfach die Buddhisten. Grossartige, herzensgute Menschen.

 

Irgendwann nach einer Tasse Tee und Bisquits schaffte ich es dann doch noch auf mein Zimmer und nach einer Kurzdusche setzte ich mich im Dunkeln auf meinen tollen Balkon, sah zu den Sternen hoch, hörte dem Meer zu und genoss die Ruhe im Augenblick. Ein warmes, wohliges Gefühl durchströmte mich und ich kannte dieses Gefühl nur zu gut. Das Gefühl von Glück!

 

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