Roadtrip und finnisches Blockhaus auf indonesisch

Es war ein sonniger Samstagmorgen als Emma und ich gemütlich frühstückten, Eggs mit Sambal on Toast avec Avocado und Marmite. Danach packten wir unseren Rucksack und bestiegen unsere Roller. Ziel war Calang, ein - wie mir gesagt wurde - kleiner verschlafener Ort mit wunderbarer Ruhe und Aussicht. Doch wortwörtlich war der Weg das Ziel. Und dieser Weg war der schönste Roadtrip den ich je gemacht habe. Die Landschaft war so berauschend, ich fuhr mit Gänsehaut durch 32 Grad warmes Tropenklima. Und konnte das Grinsen nicht mehr aufhören. Zweieinhalb Stunden lang. Dank meiner Playliste, die von ABBA (ja!) über Santana, Jimmy Hendrix zu Manuel Garcia (https://www.youtube.com/watch?v=RUh6LHwsbro), den Kalkbrenners, Gloria Estefan, verschiedenem Indie Rock und Hans Zimmer alles, wirklich alles dabei hatte, lief die ganze Fahrt wie ein einziger Film vor meinen Augen ab. So lüpfig, unbeschwert und mitreissend. Grosses Kino. Grün. Grün. Noch mehr grün. Berge. Ebenen. Links Reisfelder und Hügel, rechts türkisfarbenes Meer. Die Sonne über uns, die alle Farben noch satter leuchten liess. Den Duft der Wälder und des Salzwassers in der Nase. Mir gelingt es fast nicht, dies angemessen zu beschreiben aber wenn ich die Augen schliesse, liegt alles ausgebreitet vor mir. Die kurvenreiche Strasse mitten durch den Dschungel wo wir letztes Jahr die Siamang-Affen in freier Wildbahn bestaunt hatten. Eine kurze Kokosnuss-und-Panorama-geniessen-Pause mussten wir uns natürlich auch dieses Mal gönnen. Unvergleichlich schön!

Irgendwann kamen wir dem Ziel näher und sind dann irgendwo rechts abgebogen. Auf einem kleinen Strässchen fuhren wir bis zur fuchsiafarbenen Bougainvillea, an der Hausecke links und dem Gras-Matsch-Sand-Pfad bis zu unserem einfachen Holzhüttchen folgend. Dort angekommen, den Motor ausgeschaltet, den Helm abgenommen realisierte ich augenblicklich, dass ausser dem Rauschen des Windes und dem Grollen des Meeres nichts existierte. Freiheit. Ruhe. Entspannung pur.

Wie zwei kleine Mädchen stürzten wir uns giggelnd in die Fluten. Ungefähr drei Meter zwischen Bungalow, Strand und Meer hatte sich interessanterweise Meerwasser gesammelt und von der Sonne aufgewärmt. Unsere persönliche, von Mutter Natur gesponserte heisse Quelle. Stundenlang liessen wir uns in der coolsten Badewanne der Welt zwischen Felsbrocken treiben. Auf unseren Unterarmen sind wir durch das heisse Wasser über weichen Untergrund gerobbt, nur um ja nicht aufstehen zu müssen. Manchmal macht es einfach viel mehr Spass wieder Kind zu sein. Anschliessend fläzten wir uns in die Hängematten und lasen bis die Sonne in einer spektakulären Farbexplosion unterging. Zum Rauschen des Windes im Blätterwerk und dem Grollen des Meeres hatte sich unterdessen das Zirpen der Grillen gesellt. Eine schönere Hintergrundmusik gibt es nicht. Nachdem die Dunkelheit hereingebrochen war, öffneten wir bei Kerzenlicht (meine Sand-in-aufgeschnittene-PET-Flasche-Kreation mal wieder) endlich die aus Kuala Lumpur mitgebrachte Flasche französischen Rotwein und liessen den Abend gebührend ausklingen.

Am nächsten Morgen wachten wir ziemlich zerknittert auf. Während einer lauen Sommernacht in der Hängematte zu schlafen klingt schöner als es in Wirklichkeit ist, also flüchtete ich um zwei Uhr morgens ins Zimmer vor den Moskitos und war dann auch sehr froh um die halbwegs bequeme Matratze auf dem Fussboden. Eigentlich hätten wir zeitig aufbrechen sollen weil Emma eigentlich zur Arbeit gemusst hätte und anschliessend ein Campingausflug in der schönen Bucht von Lamreh geplant war. Aber wie so oft kam alles anders und darüber bin ich sehr froh. Wir sind also irgendwann am späten Vormittag Richtung nach Hause losgefahren, nachdem wir noch ganz gemütlich auf der Veranda gelesen und Kaffee aus den von der netten Dame am Strassenshop geliehenen Gläsern geschlürft hatten. Zugegeben, ich war ziemlich wehmütig, dass wir nur eine Nacht in Calang hatten bleiben können, hat es mich doch so sehr an unser Mökki (finnisches Ferienhäuschen) in Lappland erinnert. Nicht der Baustil, nicht die Hitze und auch nicht das Meer und die Palmen aber die ganze Atmosphäre, die Ruhe, das auf der Veranda sitzen, lesen, Zeit Zeit sein lassen und an nichts denken müssen. Wundervoll. Jedenfalls sind wir losgefahren und machten nach einer Stunde eine Lunchpause. Während dem essen schwärmten wir beide so vom “Sumatra-Mökki” und wünschten uns zurück zur Ruhe, sodass wir kurzerhand das Camping absagten und Emma die Arbeit auf den nächsten Tag verschob. Unter Lachen bestiegen wir unsere Roller und fuhren einfach so wieder zurück nach Calang. Zwei Stunden Fahrt für ein Mittagessen, nicht schlecht. Ausserdem war es ein verdammt leckeres Nasi Sayur! So lecker, dass wir uns gleich noch je eine Portion fürs Abendessen bungkus (take away) mitnahmen.

Bevor wir wieder in Calang ankamen machten wir unterwegs einen kurzen Abstecher nach rechts, wo ein Schild auf Bahasa Indonesia auf einen Touristenort aufmerksam machte. Kein Name und nichts aber das Abenteuer rief. Einmal mehr war der Weg das Ziel: Schotterweg, Schlammpfad hinauf und wieder hinunter, über Wurzeln und Blätter, unter einem nicht enden wollenden Dach aus Palmen, anderen Bäumen und Lianen behangenen Pflanzen und weit und breit keine Menschenseele in Sicht. Nur das Knattern unserer Maschinen und das Zwitschern der Vögel im Urwald. Am Ende des von uns eingeschlagenen Pfades fanden wir über eine Lichtung verstreute Pavillons und eine Hütte vor, alles war frisch gestrichen und sah neu aus aber die Verlassen- und Abgelegenheit dieses Ortes, gemischt mit dem raschelnden Blätterwald in der sonstigen Stille gaben der ganzen Szenerie etwas Unheimliches. Wie ein Geisterdorf. Nichts war beschildert, niemand war da. Wofür war das alles gebaut worden? Wozu verlief da eine nigelnagelneue Brücke über den kleinen Bach? Und wer kommt in diese Abgeschiedenheit um was zu tun? Beklommenheit stellte sich ein im Zwielicht es Urwaldes und als wir ein Motorrad und Fussspuren im Sand neben einem moosüberwucherten bunkerähnlichen Betonblock entdeckten traten wir den Rückzug an. Durch den Dschungel zurück zur Hauptstrasse, zurück ins Sonnenlicht. Und endlich (!) zurück in unsere Hütte.

Wie schön, einfach wieder in der Hängematte zu liegen und langsam in den Schlaf zu sinken; eine Siesta unter der Sonne Sumatras. Abends eine kleine Sporteinheit am Strand (ja, auch das muss ab und an sein) nur um danach glücklich-müde ins Bett zu fallen.

Am nächsten Morgen war ich früh wach und nach einer erfrischenden bucket shower setzte ich mich ans Ufer des kleinen Naturweihers hinter dem Haus, streckte die Füsse ins kühle Wasser und hörte mir an, was die Natur zu erzählen hatte; Frösche, Grillen, Wind der durch Gräser strich. Das Wasser war so glatt, dass sich die Sträucher und Sumatraberge darin spiegelten. Perfekte Ruhe. Mein Garten Eden!

Leider muss man selbst vom schönsten Flecken Erde irgendwann Abschied nehmen. Froh über unsere Rückkehr für eine weitere Nacht setzten wir uns ein letztes Mal zwischen die Felsbrocken und meditierten für einige Minuten zum Klang der brechenden Wellen. Aber sobald ich mich wieder auf meinen Roller gesetzt hatte, freute ich mich auf die Rückfahrt. Ich empfand sie auch beim zweiten Mal als genauso schön. Und als wir schliesslich über den grossen Hügel oder eher Pass fuhren, hinter dem die Dschungelstrasse wartete legte sich irgendwo in mir drin ein Schalter um und die Natur war auf einmal noch viel intensiver, grüner und fruchtbarer, dass mir tatsächlich eine Träne die Wange hinunterkullerte. Vor lauter Glück. Unglaublich. Überwältigend.

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